die geschichte vom leben.

Es war einmal ein großer, weiser Mann. Der holte eines Tages einen kleinen Jungen zu sich, denn er wollte ihm das schönste Spiel beibringen, das er kannte.

 

Der weise Mann wusste aber, dass das Spiel nicht ungefährlich ist. Aber der Wert dieses Spieles ist immens und er liebte diesen Jungen. So ging er das Risiko ein.

 

Der weise Mann holte Kugeln aus herrlich buntem Glas hervor und erklärte dem Jungen: „Sieh her! Ich werde dir jetzt eine dieser Glitzerkugeln nach der anderen zuwerfen. Jede hat eine andere Farbe und einen anderen Namen. Diese hier heißt FREUDE, jene LEID, diese hier GEDULD und dieses Prunkstück nennt sich LIEBE. Du sollst mir jede dieser Kugeln sofort wieder zurückwerfen.“

 

Und das Spiel begann. Es war eine Pracht, dem Spiel zuzusehen. Zwischen dem alten Mann und dem Jungen flogen die Kugeln in den buntesten Farben glitzernd hin und her.

 

Aber dann wollte der Junge die schönste von allen Kugeln festhalten. Er drückte sie entschieden an sich – ...

 

... und die Kugel zerbrach. Vor Schreck vergaß der Junge, die nächste Kugel zu fangen und dann lag auch diese in tausend Scherben am Boden. Er versuchte verzweifelt, wenigstens eine der Kugeln zu halten. Dabei wurde der Haufen an Scherben um ihn herum immer größer. Zugleich schnitten die Scherben in seine Hände, er blutete bald aus zahlreichen Wunden.

 

Beim Zusehen wurde dem weisen Mann das Herz schwer, denn er liebte ja den Jungen. Er ging zu dem Kind hinüber, bückte sich runter, hob alle Scherben auf und trug sie auf seine Seite. Dabei fügte er sich selbst viele Schnitte zu, doch die Kugeln fügten sich unter seinen Händen wieder zusammen. Merkwürdig: Jede neue Wunde in den Händen des Mannes heilte eine Wunde des Jungen.

 

Schließlich war der weise Mann so zerschnitten, dass das Spiel scheinbar unmöglich weitergehen konnte. Doch der weise Mann stand auf und hob an, die Kugeln von neuem zu werfen.

 

Zuvor sagte er zu dem Jungen: „Der Sinn dieses Spieles lautet: GEBEN und NEHMEN im Wechsel. Nur im Flug glänzen die Kugeln so hell, wie sie es sollten! Zwischen GEBEN und NEHMEN schimmern die Farben der Kugeln – und das Spiel wird sehr gut. Wollen wir es noch einmal probieren?“

 

Diesmal hatte der Junge begriffen.

 

Als die FREUDE kam, als die GEDULD kam, als die LIEBE kam, als eine glänzende Kugel nach der anderen kam, warf er sie dem weisen Mann wieder zu – und alle glitzerten herrlich im Flug. Als das LEID kam, machte er es genauso und siehe da: Noch im Flug änderte sich die Farbe des Leides in die Farbe der FREUDE.

 

Jede Bewegung des Jungen war jetzt auf den weisen Mann gerichtet.

Und siehe, das Spiel war sehr gut.

 

(Anonym)